Beschluss vom 29.09.2025 -
BVerwG 2 B 24.25ECLI:DE:BVerwG:2025:290925B2B24.25.0

Leitsatz:

Die unterbliebene frühzeitige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten führt nicht zur Aufhebung einer Entlassungsverfügung nach dem Soldatengesetz, wenn offensichtlich ist, dass sie die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

  • Rechtsquellen
    SGleiG F 2013 § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
    VwVfG § 46

  • VG Regensburg - 29.06.2023 - AZ: RN 1 K 21.1960
    VGH München - 06.02.2025 - AZ: 6 B 24.629

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.09.2025 - 2 B 24.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:290925B2B24.25.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 24.25

  • VG Regensburg - 29.06.2023 - AZ: RN 1 K 21.1960
  • VGH München - 06.02.2025 - AZ: 6 B 24.629

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 29. September 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hissnauer beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Februar 2025 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. wird abgelehnt.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 555,38 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit.

2 1. Der im Jahr ... geborene Kläger trat im April 2018 in die Bundeswehr ein und wurde im August 2018 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit für acht Jahre berufen. Zuletzt war er als Hauptgefreiter (Besoldungsgruppe A 4 + Z BBesO) auf einem Dienstposten als Pionier eingesetzt.

3 Mit Verfügung vom April 2021 entließ die Beklagte den Kläger vorzeitig aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit. Die Beschwerde des Klägers wies die Beklagte zurück. Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Entlassungsverfügung sei nicht formell rechtswidrig. Zwar sei die frühzeitige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten unterblieben. Dieser Fehler habe die Entlassung des Klägers in der Sache jedoch offensichtlich nicht beeinflusst. Die Gleichstellungsbeauftragte habe bei ihrer nachträglichen Beteiligung im Berufungsverfahren mitgeteilt, der Entlassungsvorgang berühre gleichstellungsrelevante Punkte nicht. Die unterbliebene frühzeitige Beteiligung sei somit unbeachtlich, jedenfalls aber nachgeholt worden. Die Entlassung sei auch materiell rechtmäßig, weil dem Kläger die erforderliche charakterliche Eignung fehle.

4 2. Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat keinen Erfolg.

5 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9, vom 24. April 2017 - 1 B 70.17 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 68 Rn. 3 und vom 6. März 2025 - 2 B 49.24 - juris Rn. 7).

6 Die von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
ob die fehlende frühzeitige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten zu einer Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung nach dem Soldatengesetz (oder deren nachträgliche Beteiligung im Verlauf des Berufungsverfahrens zu einer Heilung) führt,
rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht, weil sie sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Ergebnis im Sinne des Berufungsgerichts beantworten lässt.

7 Dabei kann dahinstehen, ob - wovon die Beklagte ausgeht - eine frühzeitige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten mangels Bezug zu den Tatbeständen des § 19 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz - SGleiG a. F.) i. d. F. der Bekanntmachung vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3822), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3559), überhaupt erforderlich war (s. a. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 20). Geht man nämlich mit dem Berufungsgericht (vgl. UA Rn. 22) davon aus, dass § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGleiG a. F. ohne Einschränkung für jede vorzeitige Entlassung aus dem Dienstverhältnis die frühzeitige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten anordnet, wäre ein Verstoß hiergegen jedenfalls - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - unbeachtlich i. S. d. § 46 VwVfG.

8 Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGleiG a. F. wirkt die Gleichstellungsbeauftragte bei allen personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen ihrer Dienststelle mit, welche die Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten, die Vereinbarkeit von Familie und Dienst sowie den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betreffen. Hingegen ist nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGleiG a. F. die Gleichstellungsbeauftragte frühzeitig zu beteiligen, insbesondere bei Personalangelegenheiten wie der Einstellung, Maßnahmen des beruflichen Aufstiegs und der vorzeitigen Entlassung aus dem Dienstverhältnis. Das Recht der Gleichstellungsbeauftragten auf frühzeitige Beteiligung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGleiG a. F.) verlagert ihre Einflussnahme im Verhältnis zur Mitwirkung zeitlich und sachlich vor. Art und Weise der Teilnahme der Gleichstellungsbeauftragten an diesem durch vorläufige Überlegungen gekennzeichneten Vorbereitungsstadium, in dem noch keine Entscheidung getroffen worden ist, sind im Gegensatz zur Mitwirkung in gewissem Umfang der Beauftragten und der Dienststellenleitung überlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 18).

9 Steht - wie hier - eine Verletzung des Rechts der Gleichstellungsbeauftragten auf frühzeitige Beteiligung in Rede, kann ein solcher Verfahrensfehler nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls unbeachtlich i. S. d. § 46 VwVfG sein, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 2 C 1.18 - BVerwGE 165, 305 Rn. 68, 71; Beschluss vom 6. Oktober 2023 - 2 VR 3.23 - BVerwGE 180, 275 Rn. 23, 26; speziell zum Disziplinarverfahren BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 19).

10 Ein Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift ist nur dann offensichtlich ohne Einfluss auf die Entscheidung in der Sache, wenn das Gericht zweifelsfrei und ohne jede Spekulation davon ausgehen kann, dass die Entscheidung ohne den Fehler genauso ausgefallen wäre. Ein Kausalzusammenhang ist dagegen zu bejahen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juni 2018 ‌- 2 C 14.17 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 148 Rn. 32 und vom 9. Mai 2019 ‌- 2 C 1.18 - BVerwGE 165, 305 Rn. 72 m. w. N.).

11 Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene, aber unterbliebene frühzeitige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten ohne Einfluss auf die angegriffene Verfügung war und die Entscheidung, den Kläger vorzeitig aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zu entlassen, ohne den Verfahrensverstoß genauso ausgefallen wäre. Denn die Gleichstellungsbeauftragte hat anlässlich ihrer nachträglichen Beteiligung im Laufe des Berufungsverfahrens mitgeteilt, dass der Entlassungsvorgang betreffend den Kläger keine gleichstellungsrelevanten Punkte berühre (vgl. UA Rn. 22).

12 In Anbetracht dessen kann dahinstehen, ob ein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung schon deshalb zu verneinen ist, weil die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht betrifft und die Beschwerde nicht dargelegt hat, dass die Beantwortung der Frage für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2025 - 2 B 53.24 - juris Rn. 19 m. w. N.). Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die aufgeworfene Frage zu den Nachfolgevorschriften in gleicher Weise stellen wird, weil das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 22. Januar 2024 (BGBl. I Nr. 17), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes zur weiteren Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft und zur Änderung von Vorschriften für die Bundeswehr vom 27. Februar 2025 (BGBl. I Nr. 72), eine § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGleiG a. F. entsprechende Regelung nicht vorsieht (vgl. etwa § 51 Abs. 1 SGleiG).

13 3. Aus Vorstehendem ergibt sich zugleich, dass der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten unbegründet ist. Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet auch unter Berücksichtigung des insoweit geltenden niedrigeren Maßstabs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 <357>; Nichtannahmebeschluss vom 9. April 2025 - 1 BvR 366/25 - NJW 2025, 2021 Rn. 11) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 40, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.